Johannes Strähle (Universität Trier)

Der Kühlschrank ist leer? Ab zum Supermarkt. Wo kommen die Waren her? Aus der ganzen Welt. Wie kommen die Waren durch den Verkehr? Mit dem LKW. Auch wenn im Jahr 2022 durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erneut die Supermarktregale teilweise leergekauft werden, ist es doch einfach, heutzutage an Nahrungsmittel zu kommen. Trotz Hamsterkäufern muss man sich keine Gedanken machen, ob man morgen immer noch alles im Supermarkt bekommt. Dennoch wird uns doch recht anschaulich vor Augen geführt, wie fragil die Logistik ist. Auch die Trierer Bevölkerung durchlief in der Spätantike besondere Zeiten. Der Kaiser samt seinem großen Stab verließ die Stadt und der ein oder andere wird sich sicher gefragt haben, wie es jetzt weitergeht.
Das Mosaik „Szene mit Getreidezensus im Hafen von Ostia“ aus Ostia gewährt uns einen kleinen Einblick in die antike Versorgungslage von Städten. Die Frage, die sich mir stellt, ist recht offensichtlich: Wie wird eine Stadt in der Antike mit Nahrungsmitteln versorgt? Schauen wir uns dafür einfach mal Trier an, das kennen wir ja selbst vielleicht am besten. Als Kaiserresidenz in der Spätantike mit einer Einwohnerzahl von vielleicht bis zu 80.000 Bewohnern eine für antike Verhältnisse große Stadt. Seitdem der Kaiser in Trier residiert, gibt es kaiserliche Beamte und vor allem ein Heer, das im Umland stationiert ist. Trier wuchs daher innerhalb kürzerer Zeit recht schnell an und damit kam die Herausforderung, eine solche Stadt zu versorgen. Die Trierer Bevölkerung konnte nicht in einen Supermarkt gehen und Mehl kaufen, denn solche Einrichtungen gab es schlichtweg nicht. Das heißt aber nicht, dass es dauerhaften Mangel gab, aber es ist doch recht offensichtlich, dass die Versorgung einer (Groß)Stadt ein recht komplexes Unterfangen ist, damals wie heute. Um die Massen an Getreide, die Trier benötigte, unterzubringen, gab es mehrere horrea. Diese je ca. 70 Meter langen und 20 Meter breiten Gebäude fungierten als Getreidespeicher. Überreste dieser Gebäude befinden sich zum Beispiel im Erdgeschoss des Stifts St. Irminen. Nennen wir die horrea also unseren antiken Großmarkt, der den Einzelhandel versorgt. Ob hier mehr als Getreide gelagert wurde, wissen wir nicht, doch dürfte dies – wie Quellen aus Italien zeigen – sehr wahrscheinlich sein.
Im Unterschied zu Ostia kam in Trier aber kein Getreide aus Nordafrika an. Dies war schlichtweg auch nicht von Nöten, da das Umland mit seinen landwirtschaftlichen Villen, z.B. in Mehring oder Longuich, die Stadt versorgte. Roggen, Weizen, Gerste, Dinkel und Hafer wurden im Trierer Land in einem solchen Umfang angebaut, dass der Überschuss in der Stadt verkauft werden konnte. Dieses Versorgungssystem erlebte aber auch eine Krise. Mitte des vierten Jahrhunderts musste mittels Schiffen Getreide aus Britannien nach Trier geschafft werden, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. In der Regel kamen Nahrungsmittel aber nicht so wie heute von überall her. Das Beispiel der Lieferungen aus Britannien zeigt jedoch, dass die Versorgung im Zweifelsfall auch über größere Entfernungen gesichert werden konnte. Wir wissen nicht, ob in dieser Zeit die Menschen in leeren horrea standen und verzweifelt Getreidekörnchen suchten oder sich gar um die letzten Reste stritten, so wie es manche heute wegen Toilettenpapier tun. Vielleicht waren die Trierer vor 1700 Jahren auch einfach zivilisierter als manche unserer Zeitgenossen. Von einem globalen Handel ist hierbei aber nicht zu sprechen.
Nahrungsmittel wurden primär, wenn sie von außerhalb der Region kamen über den Seeweg nach Trier und auch von dort weitertransportiert. Wie heute gab es Schiffsverkehr auf der Mosel, nur war dieser für die Stadt Trier wichtiger als er es heute ist. Schiffe waren quasi antike Lkws, zumindest für den Fernverkehr. Waren von den Villen im Trierer Land wurden hingegen über das Straßennetz transportiert, aber auch hier wurden die umliegenden Flüsse genutzt. Die Versorgung der Stadt war daher ein regionales Unterfangen, das darüber hinaus durchaus relativ sicher war. Sicherlich war die Versorgung nicht so einfach wie sie es heute ist, dennoch musste man sich keine Sorgen machen, um an Nahrungsmittel zu kommen. Vorausgesetzt, man besaß die nötigen Mittel, aber das ist eine andere Geschichte.
Abb.: Szene mit Getreidezensus im Hafen von Ostia, Musei Vaticani, Inv. 79638 (© Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons)