Maryse Tarafino (Université du Luxembourg)

Dieses Elfenbeindyptichon befindet sich im Domschatz der Kathedrale von Monza. Es ist eines der bekanntesten und am besten erhaltenen spätantiken Elfenbeine und datiert in die Zeit zwischen 370 und 430 n. Chr. Beachtlich sind die gut erhaltenen Details, wie zum Beispiel die Kleidung der dargestellten Personen, die Rose und das Taschentuch in der Hand der Frau, das kleine Büchlein, das der Junge hält. Wen haben wir hier vor uns? Die reiche Kleidung und das Elfenbeindiptychon weisen die dargestellten Personen klar als Angehörige der römischen Elite aus. Diese Tafeln wurden nämlich von spätantiken Würdenträgern zu besonderen Anlässen, wie z.B. bei Antritt eines Konsulates, verschenkt. Auffällig ist, dass sich der Mann in militärischer Tracht abbilden lässt. Er umfasst mit seiner rechten Hand das obere Ende seiner Lanze, in der linken Hand hält er einen ovalen Schild und auf der linken Seite seines Körpers trägt er ein Schwert. Auf dem Schild ist noch ein Medaillon mit den Büsten der regierenden Kaiser zu erkennen. Der Mann ist bekleidet mit einer knielangen Tunika, einem Gürtel und einem Mantel, der von einer Gewandspange, einer sog. Zwiebelkopffibel, gehalten wird. Die Fibel gehört sowohl zur typischen Amtstracht eines Soldaten wie eines Beamten. Auch die Frau wird durch Kleidung, Schmuck und die Attribute (Rose, Taschentuch) als Angehörige der Oberschicht, ja sogar des Kaiserhauses charakterisiert. Die Rose repräsentiert Anmut und Fruchtbarkeit, Tuch und Blüte werden gerne von hochgestellten Frauen gezeigt. Das Haar wird von einem Haarnetz zusammengehalten. Der Sohn des Paares präsentiert sich durch die zum Redegestus erhobene Hand und die Schreibtäfelchen als ziviler Amtsträger.
Interessant wird das Diptychon gerade durch die Kombination der Darstellung eines ranghohen Militärs, einer adligen Dame und deren Sohn, der eine Karriere im zivilen Bereich verfolgt. Wer ist nun dargestellt? Eine sichere Zuweisung ist nicht möglich, diskutiert wird aber immer wieder, wie der Titel des Beitrages bereits verrät, eine Identifizierung mit Flavius Stilicho (365 n. Chr. – 408 n. Chr.), einem der letzten großen Feldherren im Westen des römischen Reiches. Die Dame wird mit Serena, der Ehefrau Stilichos, identifiziert. Sie war eine christliche Adlige und die Nichte des Kaisers Theodosius. Bei dem jungen Mann könnte es sich daher um deren Sohn Eucherius handeln. Der Redegestus und das Büchlein deuten auf dessen Zukunft hin, denn er wurde um 395 oder 396 n. Chr. zum tribunus et notarius ernannt. Sicherlich ist dieses Diptychon für einen speziellen Empfängerkreis angefertigt worden und weist auf eine besondere Repräsentation der Familien sowie Legitimationsbestrebungen des Stilicho hin.
Abb.: Stilicho Diptychon
Foto: Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz / V. Iserhardt