Goldmünze des Julius Nepos

Marcel Mouson (Universität Trier)

Im kaiserlichen Palast zu Salona, 480 n. Chr.

Es ist ein besonderer Ort, den sich Julius Nepos als Sitz auserkoren hat. Vor fast 200 Jahren lebte der Frevler und Verfolger Diokletian in diesem Palast und pflanzte im Ruhestand Kohlköpfe an. Währenddessen musste er zusehen, wie sein Lebenswerk langsam zerbröckelte. Ähnlich geht es Julius Nepos, nur sitzt er nicht freiwillig hier.

–  „Das Reich hat mir gehört. Fast jedenfalls, ein großer Teil war damals schon nicht mehr da.“

Der Kaiser zeigt stolz eine Münze, mit der er gedankenverloren spielt. Gut getroffen hätten sie ihn, so habe ein wahrer Kaiser auszusehen: entschlossener Blick, willensstarke Miene. Sein Blick schweift in die Ferne.

– „Mit Orestes fing es an und mit Odoaker endete es“, presst er hervor und seine Hand krampft sich um die kleine Goldmünze, die ein schlankes Gesicht mit schütterem Haar und großer Nase zeigt. „Nein, eigentlich begann es schon früher, mit Gundobad, dem barbarischen General, und Glycerius, seinem Marionettenkaiser.“

Der Kaiser im Osten, Leo I., hatte als verbliebener römischer Imperator keinen neuen Herrscher für den Westen ernannt, als Glycerius’ Vorgänger gestorben war. Aber einen neuen Konkurrenten, einen Kaiser von Gnaden des ungewaschenen Burgunders? Das ging nicht an.

– „Ich war damals schon Heermeister in Dalmatien. Leo traf die richtige Entscheidung, mich 474 mit einer Armee nach Italien zu senden. Und ich habe Gundobad vertrieben.“

Glycerius ließ der neue Kaiser am Leben.„Der hat sich ergeben, um sein Leben gefleht. Wenig Courage für einen ehemaligen Gardisten.“ Nepos machte den gestürzten Kaiser zum Bischof von Salona. „Keine so gute Wahl,“ wie er jetzt grummelnd zugibt. „Jetzt sind wir beide hier gefangen.“

Lange dauerte die Herrschaft des Nepos nicht, nicht einmal ein Jahr lang saß er auf dem Thron, auch wenn er ein richtiger Kaiser war, wie er betont: „Auch in Konstantinopel hat man mich anerkannt!“ Der neue Heermeister Orestes, „wieder so ein Barbarenfreund“, putschte ihn aus dem Amt, im Herbst 475. Nepos floh und landete wieder an seinem Ausgangspunkt Dalmatien. Fast könnte man sagen, dass sich ein Kreis schloss. „Orestes wollte ja nicht einmal selbst Kaiser werden, er hat seinen Sohn gekrönt, ein bartloses Bürschchen namens Romulus, den man jetzt ‚Augustulus‘ nennt, das Kaiserlein!?“ Die Empörung darüber, von einem machtlosen Kind ersetzt zu werden, ist Nepos immer noch anzumerken. Auf den Münzen sehen die beiden sich nicht unähnlich. Orestes und Romulus hielten sich nicht lange; ein Jahr später meuterte ein anderer General, Odoaker. Romulus war selbst noch zum Töten zu unbedeutend, er wurde ins Exil nach Kampanien geschickt. Der Kaiser im Osten reagierte nicht. „Wieso auch, ich war und bin ja der rechtmäßige Kaiser!“ ruft Nepos erbost aus. Die kaiserlichen Insignien, die er selbst noch vor kurzem getragen hatte, wurden nach Konstantinopel geschickt. Der neue „rex Italiae“ (König von Italien) brauchte keinen Kaiser mehr. Von Nepos schien Odoaker kaum Notiz zu nehmen, vielleicht rettete ihm dies das Leben. Dabei hört Nepos bis heute nicht auf, sich als rechtmäßigen Kaiser des Westens zu betrachten. Sogar Konstantinopel verweise auf ihn als den legitimen Kaiser. Aber wirkliche Unterstützung oder eine Armee zur Rückeroberung seines Reiches, wie damals, im Jahr 474? „Nichts! Ich habe oft genug darum gebeten. Dieses Verhalten ist einem Kaiser gegenüber unwürdig!“

Odoaker in Italien, der entthronte Glycerius bei ihm in Salona – muss der Exilkaiser um sein Leben fürchten? Angst vor Attentaten habe er keine, betont Nepos, als Kaiser sei man prinzipiell in Lebensgefahr, das gehöre zum Job. Und eines Tages werde er zurückkehren, zurück nach Ravenna, vielleicht sogar Rom besuchen. Nachdenklich schaut Nepos von einem Balkon hinaus auf das Adriatische Meer. „Ich kann es fast sehen. Rom verdient seinen Kaiser.“

Abb.: Solidus des Julius Nepos (Classical Numismatic Group, Inc. http://www.cngcoins.com, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=112958481)

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